Der Kunde ist Gott, aber ich bin leider nicht gläubig

  • Der Kunde ist Gott, jeden Tag sagt das mindestens einer bei uns und es macht mich langsam irre. Wo sind die Menschen mit eigener Meinung geblieben? Wo ist das Servicebewusstsein geblieben? Einen Kunden auf ein Podest zu heben, von dem der Kunde alleine niemals mehr runter kommt, ist doch nicht hilfreich oder?
    Kurz zur Erklärung, wir sind Dienstleister bei einem Kunden im IT Bereich, der sich für alles mittlerweile Externe hält. Tolle Praxis, denn der Subunternehmer der beauftragt wurde, hat nicht nur eigenes Personal, sondern auch auch so niedere Kreaturen wie mich, die von einer Leihbude kommen.

    Ständig gibt es Diskussionen bezüglich gewisser Tätigkeiten, nicht zwischen dem Kunden und dem Sub1, sondern zwischen den Mitarbeitern von Sub1 und meiner Wenigkeit und es ermüdet langsam. Denn das Hauptproblem ist, dass alle Mitrabeiter der Firma Sub1, dem Kunden die Kimme sauberlecken, wie man so schön sagt. Ganz egal was der Kunde will, ganz egal wie falsch es ist, es wird trotzdem gemacht, denn der Kunde ist Gott. Für mich passt das nicht zu meiner eigenen Arbeitseinstellung und zu meinem Verständnis von Service. Denn wenn ich etwas machen soll, will ich es richtig machen. Richtig bedeutet nicht nur fachlich korrekt, sondern auch aus wirtschaftlichen Aspekten "richtig" für den Kunden. D.h. z.b. unnötige Arbeiten vermeiden, sofern möglich, Komplikationen im Vorfeld ausschließen, wenn möglich, usw.
    Hier mal ein Beispiel:
    wir haben auf unseren Serverflächen ein Koordinatensystem. Soweit so einfach, denn so kann man jedes Rack schnell wieder finden. Jetzt gibt es zwischen bestimmten Racks Festverkabelung mit Paneln, damit das Patchen einfacher ist. Da wir uns ständig den Bedürfnissen der Kunden unseres Kunden anpassen müssen, verändert sich unsere Infrastruktur quasi ständig. Es werden Panel ab- und wieder aufgebaut, Festverkabelung neu gelegt und so weiter. Jetzt kan vor einigen Wochen ein Mitarbeiter des Kunden an und hat sich über den die Beschriftung auf der Festverkabelung beschwert. Wenn Festverkabelung zwischen zwei Paneln von einem Schrank zu einem anderen gelegt wird, möchte er, dass die Kabel mit 1.1 oder 1.2 oder 1.3 und so weiter beschriftet werden. Die Erklärung war wie folgt: die erste 1 steht für das erste Mal wo Kabel gelegt werden und die zweite 1 für das erste Kabel. !.2 wäre dann der erste Auftrag mit dem zweiten Kabel 1.3 das dritte Kabel vom ersten Auftrag und so weiter und so fort. Ich meinte dann zu dem Mitarbeiter, dass das total Blödsinn ist, denn so findet das Kabel keiner wieder. Wir sollten es so machen wie bisher immer, die Start- und Zielkoordinate der jeweiligen Racks auf das Kabel zu schreiben, mit Start und Zielpanel. Also wenn ein Kabel von 1A Panel 3 nach 2B Panel 5 geht, würde dann auf dem Kabel und in der Doku stehen: 1A.3-2B.5 So ist Start und Ziel eindeutig zu erkennen und das für jeden relativ auf Anhieb. Also auch für eine fremde Firma, wenn die da mal ran muss. Da unser Koordinatensystem an den Wänden aufgemalt wurde, ist diese Form der Beschriftung eigentlich für jeden halbwegs gescheiten Menschen sofort und ohne Erklärung verständlich. Es folgt eine lange und heftige Diskussion mit dem Kunden die mit den Worten endete: "Aber ich will das So und weißt Du überhaupt, was uns das kostet, dass ich mit Dir diskutieren muss!" Joa...darauf erstmal eine rauchen und Blutdruck messen.....
    Aber natürlich bleib es nicht dabei, denn als Leiher habe ich von unserem Bauleiter, der ein Mitarbeiter von Sub1 ist, auch noch einen Abriss bekommen, gefolgt von den Worten: "Wenn der Kunde das so will, machen wir das." Ich meine aber, dass es keinen Sinn macht, stumpf dem Kunden zu folgen, denn schließlich soll die Arbeit und gut und richtig sein. Wenn meine Bremsen quitschen und ich dem KFZ-Meister sage, er soll Öl dran machen, wird es auch nicht tun (hoffe ich), sondern mir eine Lösung vorschlagen, die besser und richtiger ist.
    Das ist nur ein kleines Beispiel von vielen. Sub1 arbeitet jetzt schon solange für diesen Kunden ohne jemals wiedersprochen zu haben, dass der Kunde das nicht mehr kennt. Der Kunde ist mittlerweile so abhoben und so hoch auf seinem Podest, dass er nicht mehr alleine darunter kommt.
    Es gibt aber auch noch viel Größere Probleme. So schmeissen wir jetzt für zig tausende Euro Kabel weg, weil wir ein Hitzproblem haben und die Kabel die Wärme nicht aushalten, stellenweise deutlich über 60 Grad. Das Problem kommt daher, dass bei der Hardwarebestellung der Kunde nicht darauf achtet, welche Netzteile er für Switche bestellt. Mal ziehen die Netzeile die Luft von vorne an, mal von hinten, somit ist das Kühlungskonzept was auf einem Kalt- und einem Warmgang basiert, hinfällig. Es traut sich aber keiner dem Kunden zu sagen, dass er doch einfach nur bei der Bestellung der Switche auf die Netzteile achten muss, die es immer in beiden Varianten gibt. Stattdessen werden dann lieber die alten Kabel entsorgt und neue angeschafft, die 75 Grad ab können. Also wäre ich Kunde, wäre ich dankbar für den Hinweis, der mir hilft, tausende von Euro zu sparen. Das wäre nicht nur seriös von einem Dienstleister, sondern stärkt es auch das Vertrauen.
    Ich komme da wieder auf das Beispiel mit der Werkstatt. Ich fahre seit 15 Jahren zur gleichen KFZ Werkstatt. Schon mehrfach hat man mir dort gesagt, dass dieses und jenes nicht nötig ist, noch nicht gemacht werden muss oder dass es anders günstiger geht. Der Dank dafür ist mein Vertrauen, meine Treue als Kunde und natürlich bei jedem Besuch 20 € Trinkgeld fürs Frühstück (ist ne kleine Werkstatt mit 3 Mitarbeitern, die freuen sich immer riesig). Ehrlichkeit ist also ein Win-Win Situation für alle.

    DAbei stärt mich nicht einmal der Kunde. Der weiß, dass er mit seinen Forderungen immer durch kommt. Mich stört an der Stelle Sub1, denn hier ist man nicht ehrlich, nicht seriös und schon garnicht professionell. Zumindest meiner Meinung nach. Man traut sich nicht, dem Kunden auch einmal NEIN zu sagen, aber auch das gehört dazu.

    Ich habe es anders gelernt. Mir hat man begebracht, dass für den Kunden zu arbeiten auch heißt, mit dem Kunden zu arbeiten. Dass nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte meines Unternehmens wichtig sind, sondern die des Kunden. Denn geht es dem Kunden gut, geht es auch dem Dienstleister gut.
    Mich treibt das der Satz: Aber der Kunde ist Gott, solangsam in den Wahnsinn und es frustriert auf Dauer. Oder sehe ich das soooo schrecklich falsch? Irre ich mich vielleicht? Ist der Kunde heut zu Tage wirklich unantastbar und hat immer Recht? Ist Erfolg nichts gemeinsames mehr?

  • Du hast in allen Punkten Recht und die Beschriftung des Kunden ist an Hirnrissigkeit nicht zu überbieten. Nicht desto trotz solltest Du keine Firmennamen nennen :) Kann sehr nach hinten losgehen.
    Im Endeffekt ist der Kunde zumindest König. Und sagt dir die Geschichte "des Kaisers neue Kleider" was?
    Warne den Kunden, weise ihn auf die Nachteile hin und dann mach wie er es entscheidet und nehm extra Geld für die Dokumentation die nun ja mehr extra Arbeit macht.
    Und dann tu wie er will.

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    Guides nicht mehr verfügbar wegen Youtube unvermögen guten von schlechten Kodi Videos zu unterscheiden.

  • Wo habe ich denn Firmennamen genannt? Ich finde keine Namen ?( Oder meinst Du Sub1? Das steht nur für Subunternehmen1

    Wenn die Doku ja extra Geld kosten würde, könnte ich das noch verstehen, aber wir haben den Luxus, zwei Mitarbeiter nur für die Doku zu haben, meinen Kollegen und meine Wenigkeit. Wir machen nichts anderes. Deshalb ist die Doku bei uns auch, im Vergleich zu vielen anderen, so gut. Zumindest meinte das der Chef mal. Wir haben rund 75.000 aktive Strecken, davon sind auf jeden Fall 95% dokumentiert, bei der Konkurrenz ist das wohl angeblich deutlich weniger. Das macht mich ja noch wütender eigentlich, denn es gibt die Möglichkeit und das Potenzial, es noch besser zu machen.

    Aber vermutlich hast Du Recht, ein dickeres Fell oder eine gewisse LMAA Einstellung wäre wohl nicht verkehrt, auch wenns stellenweise an der Berufsehre krazt

  • Oh Subunternehmen 1, das ging aus dem Kontext nicht hervor :)
    Doku ist das A und O, IMMER! :D Deshalb bekommste Doppelplusgut.

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  • Man traut sich nicht, dem Kunden auch einmal NEIN zu sagen, aber auch das gehört dazu.

    Jaein

    Wir haben in unserer Firma auch den Tenor "Wir sagen nicht nein". Weder zum Kunden, noch zum Kollegen. Aber....

    Ist Erfolg nichts gemeinsames mehr?

    genau da ^^ liegt der Hase im Pfeffer. Mein Teamleiter ist auch Projektleiter in einem unserer Entwicklungsteams. Dort habe ich heute ein Gespräch beim Kaffee mitbekommen, wo man von erzählt hat, wie man ganz offen über Dinge mit dem Kunden gesprochen hat und das man gemeinsam an die Sache ran geht. Denn, es ist nicht nur unser Projekt, welches wir erarbeiten müssen, sondern auch das Projekt des Kunden, der es erarbeitet haben möchte.

    "Nein" sagen geht leicht und je öfter man es sagt, desto leichter fällt es einem. Ein "Ja" immer und zu jeder Zeit und zu jeder nur erdenklichen Situation ist auch nicht richtig. Von daher würde ich persönlich das "Nein" immer vermeiden und ggf. mit einem entsprechenden besseren Vorschlag kommen. Wenn es im Moment nicht passt, dann würde ich einen Tag Ruhe einkehren lassen und wenn ich die "Kundenlösung" für falsch und fachlich unsinnig halte, würde ich mir in der Zwischenzeit etwas überlegen um den Kunden zu überzeugen. Gern nach der Idee des "Elevator Pitch" (gern mal googlen, wem es nichts sagt).
    Hilft das alles nichts und der Kunde möchte seinen Kopf durchsetzen, ist man im Endeffekt immer noch Dienstleister und arbeitet nach Auftrag. Solange die Lösung nicht "riskant" ist (also aus Security-Sicht in der IT), wäre es mir im Endeffekt Schnuppe. Wenn er es so will, dann soll er es so haben. Auch wenn es für den Kunden mehr Ausgaben bedeutet. Leider vergessen auch die Kunden (und nicht nur die Mitarbeiter eines Sub) hin und wieder, dass sich "Dienstleistung" aus 2 Worten zusammen setzt. "Dienst" und "Leistung". Letztere geht halt beim stumpfen Befolgen eines Befehls, egal wie unsinnig er ist, verloren. Nämlich die Leistung, die "Fachlichkeit", "Gewissenhaftikeit" und "Verantwortung" beinhaltet.

    Bei dem Beispiel des Kabels würde ich halt antworten. "Ok, mache ich genau so. Ist kein Thema. Ich halte es zwar aus Grund 'so und so' für fraglich, und ich würde es eher 'wie hier und da' machen, aber wenn ihr es so möchtet, dann natürlich gerne."

    Das Ding ist halt, dass ein stumpfes "Nein" genau so falsch ist, wie ein stumpfer unüberlegter Befehl. Aber da muss nachher natürlich auch der Kund einsichtig sein.

    Im Endeffekt muss man sich die Frage stellen, wie glücklich man auf Dauer mit so einer Situation wird. Da ich die Randbedingungen nicht kenne, kann ich mir das nur für mich beantworten und so wie es hier gerade dargestellt wird und da wüsste ich die Antwort darauf.

    Wertschätzung kostet nichts, aber sie ist von unschätzbarem Wert.

  • Das Beschriebene ist sicher vielen bekannt. Der eigene Umgang damit ist das Problem. Wieviel Reibung kann mein eigenes Wohlbefinden vertragen? Wo will ich kämpfen und wo will ich Sieger sein? Nicht nur schlechte Gespräche sind Körperverletzung, auch schlechte Gedanken, die sich aus solchen beschriebenen Abläufen ergeben. Die Folgen daraus/davon wird dir der eigene Körper Jahre später präsentieren. Alles eine Kopfsache. Ich habe mir damals Hilfe geben lassen, um Situationen entsprechend einzuordnen, das habe ich nicht hinbekommen. Jetzt ist alles easy, ist ein Prozess und mit zunehmneden Alter und Erfahrung einfacher zu händeln.
    Ansonsten, wie hier bereits angedeutet, Türen kann man schließen und neue Türen gehen auf.

  • Fuer mich ist das ganze outsourcing und die dadurch verursachten probleme, die hier sehr schoen beschrieben sind, vor allem ein Problem des deutschen Arbeitsrechts.

    Wer eine klassische Daueranstellung bei einem "Grossen Fisch" hat steht super dar, aber der grosse Fisch versucht natuerlich dauernd Kosten zu optimieren und dann geht es los mit Subunternehmen, Werksauftraegen usw und den beschriebenen Reibungsverlusten. Auch die Tatsache dass fuer diese klassischen am besten bezahlten Jobs dann wohl auch noch die groesste Menge Kurzarbeitergeld aus Steuern bezahlt wird (und kontraktoren die nach Stunde bezahlt werden halt dumm darstehen) ist ein weites Indiz, das das System reformbeduerftig ist.

    Soweit ich das verstehe gibt es in hire&fire Systemen wie den USA bei weitem nicht soviele sub-sub Unternhmenskultur, weil die halt nicht notwendig ist. Wie man jetzt bei Corona sieht werden da dann halt auch sofort die "festen" Mitarbeiter bei grossen Fischen entlassen. Scheint also in diesem Sinne fairer die Last zu verteilen und nicht nur bei Kontraktoren etc. abzuladen.

    Natuerlich gibt es andere und gute Gruende, nicht alles in-house zu machen sondern durch Zulieferer, aber gerade im IT Bereich habe ich den Trend zum outsourcing bei groesseren fischen immer nur als shell-game gesehen mit dem sich das Management in allen Teilen selbst bereichert hat, der dicke fisch vielleicht 20% gespart hat aber am Ende 50% weniger bei rumkam.

    Einmal editiert, zuletzt von te36 (14. Mai 2020 um 00:12)

  • Um mal zum Thema zurueckzukommen, evtl. praktische Hilfe:

    Eine Ebene der Selbstverteidigung ist ja immer zu gucken, wie man am Ende nicht selbst schuld gemacht wird, wenn von irgendwoher Schisse verquirlt wird. Innerhalb einer Firma gibt es ja immer eine Moeglichkeit zumindestens seinem eigenen Vorgesetzten/Auftraggeber ein Memo zu schicken mit einer Beschreibung dessen was man als Problem und dessen Loesung ansieht. Natuerlich am besten wirklich schriftlich das sich da niemand mit "habe die email nie bekommen, nie gelesen" rausreden kann.

    Genauso wuerde ich empfehlen, dem Sub-1 Mitarbeiter, der derzeit auf der "wir machen alles was der Kunde will" zu erklaeren, das sein Job ebensogut gefaehrdet sein kann, wenn da beim Kunden mal eine hoehere Entscheidungsebene sich anguckt was der Typ der die Auftraege vergibt da an Geld verschwendet. Dann ist Sub1 naemlich genau die Tankstelle die auch Diesel in einen Benziner einfuellt weil der Kunde das so wollte und da faehrt man nicht mehr hin.

    Aka: Dein Sub1 "Vorgesetzer" waere gut beraten, wenn er auch sehr freundlich Memos an den Kunden schriftlich so schickt, dass der Kundenkontakt spaeter deren Existenz nicht leugnen kann. Aber halt unabhaengig davon ansonsten brav genau das zu machen, was der Kundenkontakt will. Ist ja nix weiter als Empfehlungen fuer besseres/guenstigeres "Produkt". Der Kunde kann die ja einfach abheften und ignorieren wenns nicht gefaellt.

    Klar, wenn da beim Kunde ein kleiner autarker Idiot ueber alles in der Beziehung zum Sub entscheiden kann hilft das nicht viel, aber natuerlich sichern solche Memos auch die Geschaeftsbeziehung. Sollte der autarke Idiot naemlich die Geschaeftsbeziehung beenden, dann kann man die Liste der Memos immer noch an die Revision des Kunden schicken.

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